Interview mit Stefanie Pöllot
anlässlich ihrer Ausstellung im Büro Orange, München
Benita Böhm:
Schön, dass wir dich erstmals mit einer kleinen Ausstellung in München begrüßen dürfen.
Deine Motive, die du in deinen Videoarbeiten wählst wirken sehr entrückt. Zusätzlich verwendest du als Untergrund für deine Projektionen ein sehr weibliches glitzerndes Material. Wie wählst du deine Bilder aus und wie schaffst du es, dass deine Arbeiten nicht kitschig wirken?
Stefanie Pöllot:
Meine Motive sind immer aus der Realität entnommen und werden nicht im Nachhinein verändert oder bearbeitet. Ich wähle jedoch bewusst weiße Aufnahmen, wie die weißen Kirschblüten in meiner Münchner Ausstellung. Genauso wie meinen weißen Schwan im Schnee oder einen Kinosaal mit komplett weißer Leinwand. Erst in einem zweiten Schritt entsteht dann durch die Projektion des Videos auf die glimmernde Oberfläche und der damit verbundenen Lichtbrechung die Farbigkeit des Bildes. Ich glaube das ist auch der Grund, weshalb meine Arbeiten gerade nicht kitschig wirken.
Die Entrücktheit wird erzeugt, indem ich Bekanntes aus unserer Alltagswelt aufgreife und in einen neuen Kontext setzte und somit die Sichtweise auf unsere Alltagswirklichkeit verändere.
Der Betrachter kann in deinen Arbeiten immer viel entdecken, dass nicht offensichtlich ist. Spielst du bewusst mit unserer Unwissenheit und Neugier?
Diese Frage möchte ich mit „Ja.“ beantworten. Dadurch, dass ich vorhandene Bilderwelten innerlich anreichere erzeuge ich beim Betrachter tatsächlich Unsicherheit, vielleicht auch Sehnsucht, Begehren und Überraschung. Die reine Darstellung ist kognitiv schnell erfasst, aber auf der psychischen Ebene beschäftigt man sich weiter mit der Thematik. Meine Arbeiten sind gerade in dieser Ambivalenz zuhause.
In ihrer Schönheit und sich immer wiederholenden Weise wirken deine Videos sehr meditativ. Ist diese Wirkung von dir beabsichtigt?
Hier möchte ich im Vorhinein und ganz allgemein sagen, dass ein Künstler keine Absicht verfolgen sollte, da sonst ein spekulatives Element Einzug in sein Arbeiten findet.
Ich beabsichtige eher eine Poetisierung des Alltäglichen. Ich möchte der Welt sozusagen eine poetische Aura verleihen.
Also eine Art Alltagsästhetik?
Ja, das kann man vielleicht so nennen. Der Vergleich zur Malerei liegt da sehr nahe. Die Malerei bildet auch die Realität ab, nur oftmals in einer überhöhten Wirklichkeit. Diese Darstellung ist durch eine Übertragung in die Kunst möglich. Ich male in und mit meinen Videos, denn ich wähle immer einen statischen Rahmen. Die Bewegung findet dann in einem klar umgrenzten Bild statt.
Und wie kommt es zu der meditativen Stimmung? Ich persönlich könnte mir deine Videos ja ewig anschauen!
Meditativ ist da vielleicht das falsche Wort. Ich würde es eher als kontemplativ bezeichnen. Meditation spielt sich doch rein im Inneren ab. Ziel ist es sich von der Außenwelt loszulösen Meine Arbeiten wirken eher von außen nach Innen, indem sie Gedanken und Empfindungen anstoßen.
Wieso hast du eigentlich gerade das Medium Video gewählt?
Ursprünglich komme ich ja aus der seriellen Fotografie. Von dort aus war der Sprung zum bewegten Bild nicht mehr weit. Beim Video interessiert mich vor allem das Spiel mit der Wahrnehmung; die Frage: „Ist das, was ich gerade gesehen habe auch das, was ich jetzt sehe?“. Ich spiele mit der Wiederholung von bereits Bekanntem und stelle Ähnliches und Gleiches gegenüber. Daraus entsteht die schon angesprochene Neugier. Der Betrachter ist irritiert, weiß aber nicht warum. So entsteht oft eine Art „magisches Element“ des Unerklärbaren und Unerfassbaren.
Außerdem bietet mir dieses Medium die Möglichkeit Zeit abzubilden und sie zu verräumlichen. Nehmen wir das Beispiel der Flaschen. Bei meiner Arbeit projiziere ich auf jede einzelne Flasche Aufnahmen von unterschiedlichen Orten und Zeiten, die immer wieder kehren.
Vielleicht liegt in der unendlichen Wiederholung durch die Nutzung von Endlosspulen auch das meditative, nach dem du mich gerade gefragt hast.
Apropos Endlosspuren. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern, die im Bereich Video und Fotografie arbeiten, ist dir das Equipment das du benutzt besonders wichtig. Was für eine Rolle spielt es in deiner Arbeit?
Ich arbeite mit diesem absoluten Spannungsfeld, das zwischen analoger und digitaler Technik entsteht. Das lässt sich sehr gut an dem Beispiel mit den Flaschen veranschaulichen. Die Filme, die ich auf die Flaschen projiziere, sind analog. Ich benutze hierzu 8mm-Zelloloidfilme, baue meine Projektoren im Atelier auf und lasse sie auf Endlosspulen ablaufen. Das Ganze nehme ich aber wiederum mit einer digitalen Kamera auf. Das Resultat entsteht durch die Synergie zwischen analog und digital. Die beiden Formen unterstützen sich gegenseitig. Mit Beamern wäre es mir überhaupt nicht möglich die Flaschen anzustrahlen, da ich die Projektion nicht auf diese kleine Größe hinunterbrechen könnte.
Mit Hilfe der Endlosspulen lasse ich die einzelnen Filme, die an sich nur um die zwei Minuten dauern, parallel nebeneinander laufen. Dadurch dass sie aber alle unterschiedlich lang sind, laufen sie bald nicht mehr synchron. Da ich das wiederum mit meiner Digitalkamera aufnehme entsteht eine komplett neue Komposition, also 20 Minuten Filmmaterial, wobei keine Minute das gleiche zeigt, sondern immer neu zusammengesetzt wird.
Also bist du sozusagen nicht nur Malerin sondern auch Dirigentin!
(lacht) Das ist ja eine nette Formulierung.
Willst du dich denn bewusst von anderen Künstlern abheben?
Nein, darum geht es mir überhaupt nicht. Meine Arbeit ist vielmehr Ausdruck meiner inneren persönlichen Ideen. Ich bin froh, dass ich im Laufe der Jahre meine sehr individuelle künstlerische Handschrift finden konnte. Das war ein langer Prozess, der sich auf viele vorangegangene Werkgruppen bezieht. Kunst ist wie eine Sprache. Sie muss kommuniziert, nach Außen getragen und damit in einen Dialog gebracht werden.
Besonders bei meinen Arbeiten ist das wichtig, weil sie eher unprätentiös sind. Sie beanspruchen keine laute, schrille Aufmerksamkeit, sondern wirken auf stille Weise.
Vielen Dank für dieses interessante Interview. Hoffentlich können wir dich bald mit einer größeren Ausstellung hier in München sehen.
Hast du noch etwas, das du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?
Ich hoffe natürlich sehr, dass ihr euch meine Ausstellung anschauen werdet. Denn meine Arbeiten entfalten ihre Wirkung erst im Dialog mit dem Betrachter, wie im Verlauf des Interviews deutlich geworden ist. Außerdem können sie wirklich nur im Original erlebt werden. Eine Reproduzierbarkeit im Sinne von YouTube oder Ähnlichem ist durch die Wahl meines Mediums nicht möglich. Um die geistige Erfahrung zu machen, die ich beim Besucher erreichen möchte muss dieser auch im geistigen Raum ankommen.
Benita Böhm, gallerytalk.net, Onlinemagazin für zeitgenössische Kunst